Das Bild von Nietzsche – Stand der Dinge I

Weiterführendes zum Beitrag Das Bild von Nietzsche.
von Jürgen Plechinger

In der Selbstauskunft wird der Begriff des Kultivierens in seinem umfassenden Sinn als Urbarmachen, Anbauen und Züchten gebraucht. Gegenwärtig heißt es, das Subjekt der Arbeit urbar zu machen, also zu recherchieren und Material, Stoff zu sammeln, was selbstverständlich in erster Linie durch das Lesen von Nietzsches Texten geschieht.
Damit wurde schon seit längerer Zeit begonnen; sein Schrifttum liegt also als schon in Teilen bewältigt hinter einem, trotzdem wartet noch einiges darauf, erschlossen zu werden. Das soll nicht bedeuten, dass mit der zeichnerischen Arbeit nicht parallel zur Recherche begonnen werden kann.

Auch wenn sich das Zitat aus Nietzsches 155. Aphorismus aus Menschliches, Allzumenschliches auf die Höchste aller Künste — die Musik — bezieht, gibt es trotzdem sehr treffend wider, worin die gegenwärtige Arbeit besteht, wobei – um Missverständnisse von Vornherein auszuschließen — künstlerische Güte, geschweige den Größe absolut keinen Anteil am Selbstverständnis haben:

„In Wahrheit producirt die Phantasie des guten Künstlers oder Denkers fortwährend, Gutes, Mittelmässiges und Schlechtes, aber seine Urtheilskraft, höchst geschärft und geübt, verwirft, wählt aus, knüpft zusammen; wie man jetzt aus den Notizbüchern Beethoven’s ersieht, dass er die herrlichsten Melodien allmählich zusammengetragen und aus vielfachen Ansätzen gewissermaassen ausgelesen hat. Wer weniger streng scheidet und sich der nachbildenden Erinnerung gern überlässt, der wird unter Umständen ein grosser Improvisator werden können; aber die künstlerische Improvisation steht tief im Verhältniss zum ernst und mühevoll erlesenen Kunstgedanken. Alle Grossen waren grosse Arbeiter, unermüdlich nicht nur im Erfinden, sondern auch im Verwerfen, Sichten, Umgestalten, Ordnen.“

Also: Verwerfen, Sichten, Umgestalten, Ordnen; das ist es.

Und die Zeit soll als sozial–ökonomische, organisatorische Übereinkunft im Rahmen des Erwerbs und im sozialen, resp. höflichen Umgang ihre Rolle spielen; hier soll sie dem Eigenen untergeordnet sein, was absolut nicht als eine Bitte nach Geduld zu verstehen ist.