Aussichtslose!

Also notiert der Chronist als Meisterlein der peinlichen Diktion:

Zuerst eine Warnung:
Indem man den Chronisten einen Moralisten nennt, verwechselt, ja beleidigt man ihn auf Äußerste! Er warnt nicht vor sich; die Rache ist mit Gott gestorben. Die Warnung gilt dem Gewissen!

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Hier soll nichts ausgespart werden, um durch Lücken und Möglichkeiten dem Denken auf die Sprünge zu helfen. Es half nicht und wird nicht helfen, denn der Teufel hat den Verstand gestohlen.
Zurück ließ der Dieb die Mickrigkeit. Und wo’s nur Mickerlinge gibt, muss man muss schon ein veritabler Idiot sein, um es zu Ansehen zu bringen. Man hat von Achtung zu sprechen, wenn es sie erst gibt.

Das abgrundtief dumme Maul jedenfalls wird erst gehalten, wenn man sich um Kopf und Kragen geredet hat.

Wo offen und unverblümt gelogen wird und im besten Falle Verwirrung und Gereiztheit stiftet, wer auf die Lüge verzichtet, ist für niemanden gut leben.
Der Lügner kann’s nicht wissen, weil er am Ende nicht anderes mehr ist als nur das;
und eben mickrig noch.

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So also sah ich, wie du funktionierst, Menschheit.
Der Lohn für die Erkenntnis war die Heimatlosigkeit unter geistig Toten.
My future is my castle.

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Die längst überkommene Welt hat ihre bornierten Parvenüs so wohlverdient, wie sie sie gebraucht hat. Weil sie verlogenes Gesindel nötig hatte für ihr Ende, spien und schissen die Generationen sie mannigfaltig aus.
Sie blieben nicht lange in ihren übelriechenden Sekreten liegen. Sie leckten sich gegenseitig sauber und gehorchten der Befehlskette, die seit jeher aus uns allen besteht und im Dunkel der ungeschriebenen Geschichte beginnt.

Dann müsst ihr gegen eure Bedürftigkeit nicht mehr an den falschen Brunnen trinken. Diese sind entweder vergiftet oder so unschuldig, dass euer Durst sie allzu leicht völlig austrocknet. Dann nützen sie niemandem mehr.

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„Wissen will ich:
Hast du die anderen angesteckt mit Leben – zum Überleben?
Hast du es wenigstens versucht?“

Also wird dein Gewissen sprechen.

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Ich, Agelstern, achte jene, die meine Achtung verdienen. Zwischen Mickerlingen und ihren Epigonen gibt es davon gegenwärtig nur wenige. Der Rest müsste ertragen, belächelt zu werden, wenn er es denn merken würde.

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Ich, Karl Ochsenstirn, lache erst über euch, dann mit euch. Ich verlache euch, ob eurer Aussichtslosigkeit. Denn erst eure Dummheit macht sie nützlich.

Agelstern

von Jürgen Plechinger

Er wollte niemandes Feind sein. Dennoch hatte man ihn dazu auserkoren. „Der Sommer“, denkt er, „ist eine sichere Jahreszeit.“
Agelstern ließ sich am Rand eines Roggenfelds auf einem von der Sonne erwärmten Stein nieder. Er genießt die Wärme und das Flimmern der Sommerluft.
Wie es schon immer ihre Art war, sind seine Artgenossen mittlerweile verstummt. Sie vertragen die Hitze nicht. In kühleren Stunden waren sie gewöhnlich laut und sie konnten es nicht leiden, wenn andere lauter waren als sie.
Er beginnt zu singen, als ob sie sich in Hörweite seiner lauten Stimme verborgen halten:

Was nicht in Worte zu fassen ist, davon soll man singen!

Kinder der Unzeit,
Epigonen von Epigonen!

Ich sehe,
Wie durchtrieben ihr seid.
Ich sehe,
Wie ihr getrieben seid.
Gottverrückt.

Ich sehe eure Knochen.

Aufgerieben in steter
Wehrhaftigkeit.

Ich sehe euch
Dem ander’n eigen.

Die ander’n
Seh‘ ich grau.

Ich weiß von eurem Herrn.

Im Angesicht des Lebens
Sollt ihr beschämt sein!

Ich sehe,
Wie ihr die Selbstlüge liebt.

Ich sehe,
Wie ihr die Selbstliebe leugnet.

Daseinsblind.

Ich schmecke eure Bitterkeit.

Im Angesicht des Todes
Sollt ihr lachen!

Ich sehe,
Wie ihr Masse seid.
Ich sehe
Eure Einsamkeit.

Ich bezeuge eure Vertreibung.

Dem Höllenkreis
Der Himmelssehnsucht

Sehe ich euch
Entkommen.

Auf Seelenschutt gewachsen
Sehe ich euch gedeihen
In neuer Erde.